Der digitale Wandel verändert nicht nur Geschäftsprozesse, sondern auch das Kundenverhalten grundlegend. Wer heute Märkte verstehen will, muss verstehen, wie sich Konsumverhalten, Erwartungen und Werte im Zusammenspiel mit Technologie wandeln – und was dies für Unternehmen bedeutet.
Der Kunde als aktiver Wertschöpfungspartner
In der Digital Economy wird der Kunde zum Mitgestalter. Durch den einfachen Zugang zu Informationen erwartet er heute mehr Transparenz – etwa zur Herkunft, Nachhaltigkeit und zu den Produktionsbedingungen von Produkten. Zugleich will er nicht nur konsumieren, sondern aktiv beitragen.
Der „Prosument“ – also Produzent und Konsument zugleich – nutzt digitale Plattformen, um Feedback zu geben, Produkte zu bewerten oder gar an deren Weiterentwicklung mitzuwirken. Unternehmen müssen bereit sein, diese aktive Rolle anzuerkennen und zu gestalten.
Dauerpräsenz als Normalfall
Kunden sind heute ständig erreichbar. Durchschnittlich verbringen Menschen laut einer Studie von 2017 rund 4,5 Stunden täglich am Smartphone. Während ältere Nutzer ihr Handy bis zu 80 Mal am Tag in die Hand nehmen, kommt die jüngere Generation auf bis zu 150 Kontakte täglich.
Selbst skurrile Studien zeigen, wie tief verwurzelt diese Beziehung ist: 10 % der befragten Jugendlichen gaben an, im Zweifel lieber auf einen Finger als auf ihr Smartphone zu verzichten. Das zeigt: Kundinnen und Kunden sind heute jederzeit erreichbar – und erwarten es umgekehrt auch von Unternehmen.
Von Besitz zu Verfügbarkeit: Sharing und Streaming
Ein weiteres Phänomen des digitalen Wandels ist der Bedeutungsverlust von Besitz. Plattformen wie Airbnb oder Uber zeigen, dass Nutzung wichtiger wird als Eigentum. In der Sharing Economy werden ungenutzte Ressourcen geteilt – mit Vorteilen für beide Seiten: Kunden profitieren von Flexibilität und geringeren Kosten, Unternehmen erschließen neue Märkte.
Diese Entwicklung lässt sich auch in den eigenen vier Wänden beobachten: Die Werbeagentur Jung von Matt rekonstruierte über Jahre hinweg das „typische deutsche Wohnzimmer“. Während 2004 noch ein großes CD-Regal präsent war, finden sich heute fast nur noch Laptop und Smartphone auf der Couch. Streaming hat physische Medien weitgehend ersetzt – nicht, weil die Menschen Musik weniger schätzen, sondern weil sie Wert auf sofortige Verfügbarkeit legen.
Mobilitätswandel: Weniger Autos, mehr Lösungen
Ähnlich zeigt sich die Veränderung auch in der Automobilbranche. Immer mehr Menschen sind mobil – ohne eigenes Auto. Gefragt sind flexible Mobilitätslösungen, etwa per App buchbare Roller oder Fahrzeuge. Der Fokus verschiebt sich: Vom Auto als Statussymbol hin zum Auto als Mittel zum Zweck.
Dabei wird deutlich: Viele dieser Veränderungen wären früher schlicht nicht möglich gewesen. Die Technologie fehlte. Ohne GPS, Mobilfunknetz und vernetzte Plattformen kein Carsharing. Ohne Breitband und Cloud kein Musikstreaming.
Technologie als Treiber – Werte als Folge
Oft wird behauptet, dass ein grundlegender Wertewandel hinter diesen Entwicklungen steckt. Doch diese Argumentation greift zu kurz. In Wahrheit folgt der Wertewandel meist der Technik – nicht umgekehrt. Erst wenn Menschen neue Optionen erleben und als nützlich empfinden, verändern sich ihre Einstellungen und Werte.
Technologie schafft Möglichkeiten. Werte ordnen sich diesen Erfahrungen unter. Der Ruf nach Nachhaltigkeit mag lauter werden – doch nur wenn Angebote gleichzeitig praktisch, bequem und bezahlbar sind, setzen sie sich auch am Markt durch.
Strategischer Nutzen für Unternehmen
Diese Einsicht ist für Unternehmen von großer Bedeutung. Wer versteht, dass Technologie oft den Anstoß gibt und Werte später folgen, kann Trends realistischer einschätzen – und seine Innovationsstrategien entsprechend ausrichten.
Statt bloßer Appelle an „nachhaltige Lebensstile“ sollten Unternehmen fragen: Welche Produkte würden Menschen sofort nutzen, wenn sie technisch machbar und kosteneffizient wären? Märkte folgen nicht der Moral, sondern dem Nutzen – erst recht in frühen Innovationsphasen.
Werte als Verstärker, nicht als Auslöser
Werte spielen dennoch eine Rolle – als langfristige Verstärker. Wer früh auf neue Technologien setzt, profitiert später doppelt: als „First Mover“ und als glaubwürdiger Pionier, wenn sich der gesellschaftliche Diskurs in Richtung dieser Technologie entwickelt.
Tesla etwa ist nicht deshalb erfolgreich, weil sich Menschen über Nacht in Umweltaktivisten verwandelt haben. Vielmehr war Tesla technologisch früh da – und wurde so zum Synonym für Elektromobilität, als das Thema gesellschaftlich an Fahrt aufnahm.
Fazit: Technik prägt Verhalten – und wer Verhalten versteht, gestaltet Märkte
Kundinnen und Kunden verändern ihr Verhalten oft erst dann, wenn neue Technologien dies ermöglichen. Unternehmen, die diesen Mechanismus verstehen, können frühzeitig passende Angebote entwickeln – und ihre Kommunikation intelligent darauf ausrichten. Der digitale Wandel ist nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern ein Schlüssel zum Kunden von morgen.
👉 Mehr zu diesem Thema:
Wenn dich interessiert, wie digitale Technologien nicht nur das Kundenverhalten, sondern auch Führung, Kommunikation oder Geschäftsmodelle verändern, schau gerne in den Beitrag Die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Führung, Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Kommunikation oder Selbstdisruption: Warum Wandel von innen beginnen muss hinein.